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„Dry Powder“

Salzburger Landestheater (Rezension)

Kultureller Finanzexkurs

Europäische Erstaufführung in Salzburg: Das Salzburger Landestheater präsentiert Sarah Burgess' "Dry Powder" in den Kammerspielen

Mit „Dry Powder“ legte Sarah Burgess 2016 einen Überraschungserfolg hin: Die High-Finance-Komödie wurde von Kritikern und Publikum bejubelt. Dahinter musste doch ein Finanz-Experte stecken, mutmaßte die Gerüchteküche. Mitnichten. Tatsächlich handelte es sich bei der Autorin um eine junge NYU-Absolventin, die nach dem Studium als Tutorin ihr Geld verdiente. Einige ihrer Schüler waren bei New Yorker Investmentfirmen angestellt. Eines führte zum anderen und Burgess tauchte in die amoralische Welt der Wall Street ein. Der Rest steckt in „Dry Powder“.

Rick hat als Gründer der privaten Kapitalbeteiligungsgesellschaft KMM Capital ein Image-Problem. Während er pompös Verlobung feierte, fand auf seinen Befehl hin eine Massenentlassung von Supermarkt-Angestellten statt. Ein gefundenes Fressen für die Medien, das seine Partner Jenny und Seth auf ganz individuelle Weise zu lösen gedenken.

Was der amerikanische Humor goutiert, trifft in Europa bisweilen auf verhaltenes Schmunzeln – in diesen Momenten wird deutlich, dass doch so etwas wie eine kulturelle Kluft zwischen den beiden Kontinenten existieren könnte. Dieser Diskrepanz versuchen die Schauspieler in Claus Trögers Inszenierung von „Dry Powder“ entgegenzuwirken (Bühne und Kostüme: Katja Schindowski, Dramaturgie: Carola Schiefke, Lichtdesign: Daniela Klein). Auf der minimalistischen Bühne – Weiß ist die Farbe der Unschuld und, welch' Ironie, der „Dry Powder“-Büros – entsteht ein reges Intrigieren und Manipulieren. Axel Meinhardt gibt den überzeugend selbstherrlichen Boss Rick, der sich gerne von anderen beeinflussen lässt, nur um am Ende mit dritter Meinung zu überraschen. Kalkulierend, kühl und schnippisch zankt sich Jenny (wunderbar Britta Bayer) ständig mit Seth (gelungen Marcus Bluhm) – und setzt klare Höhepunkte in der amerikanischen Finanzkomödie. Seth selbst wird von Bluhm ambig und wohldosiert nebulös skizziert; während Sascha Oskar Weis als relaxter, ewig fröhlicher amerikanischer Gutmensch überzeugt. Der Plot-Twist kommt umso überraschender.

Tatsächlich schwächelt die amerikanische Komödie just auf humorigem Niveau, da es ihr an inhaltlicher Substanz mangelt; vielmehr ergeht sie sich in oberflächlichem Finanz-Geplänkel und wirft mit einseitigem Jargon um sich. Das Schauspieler-Team und die Inszenierung merzen diese Einbrüche mit selbstbewusstem Spiel so gut es geht wieder aus. Sie verleihen den Dialogen bestmögliche Struktur und stiften damit auch gleichzeitig Identität. Und das ziert die europäische Erstaufführung dann doch. (mehr...)

© Veronika Zangl, 2018

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