Heiliger St. Pyroman, verschon' mein Haus, zünd' andre an
Rezension
Am Schauspielhaus Salzburg premierte Peter Raffalts Inszenierung von „Biedermann und die Brandstifter“ mit ausgiebigem Applaus. Wohl verdient für ein humorvoll-ironisch inszeniertes Stück über die Moral.
1958 feierte Max Frischs Parabel über das Mitläufertum, Opportunismus und politische Blindheit in Zürich Premiere: „Biedermann und die Brandstifter“. Im Untertitel lautet Frischs Drama zwar „Lehrstück ohne Lehre“, tatsächlich ist es aber bis zum Rand mit moralischen Weisheiten gefüllt. Es prangert mit den Methoden eines Berthold Brechts Missstände an und fordert verantwortungsvolles Denken und Handeln des Einzelnen.
Gottlieb Biedermann hält sich für einen gottesfürchtigen Mann. Dabei stellt er sein eigenes Wohl an erster Stelle und nutzt seine Mitmenschen schamlos aus. Dann kommen die Brandstifter; die Gegend wohnt in Angst und Schrecken vor ihnen. Sie nisten sich in Dachböden ein und zünden die Häuser an. Als eines Tages ein Schmitz vor seiner Tür steht, der sich als Ringer und Obdachloser ausgibt, will er nicht wahrhaben, dass es einer der abgründigen Gesellen ist. Stattdessen redet sich Biedermann lieber ein, er sei ein guter Mensch, weil er dem Heimatlosen Unterkunft gewährt. Er ist taub für die Klagen seiner Frau und seines Dienstmädchens; auch als Schmitz' Freund auf dem Dachboden dazustößt und die ersten Benzinkanister auftauchen, verweigert er sich den Tatsachen. Schließlich assistiert Biedermann gar noch dabei, die Zündschnur zu legen und reicht die Streichhölzer.
Es sind die diversen Aktivitäten der Hauptfigur Gottlieb Biedermann (Marcus Marotte), aus denen das Publikum von Peter Raffalts Inszenierung am Schauspielhaus Salzburg seine Moral ziehen darf. Der Haarwuchsmittel-Unternehmer frönt ungeniert dem Konformismus: Selbstsucht und ein ungesunder Hang zur Vogelstrauß-Perspektive prägen seinen Charakter. M. Marotte lässt ihn behend zwischen den verschiedenen Höhen und Tiefen, den Zweifeln und Ängsten seiner Figur oszillieren. Dem Untergang ist Biedermann geweiht, das ahnt das Publikum von Anfang an. Schließlich weisen bereits alle Bühnen- und Ausstattungs-Indizien darauf hin (Bühne: Vincent Mesnaritsch, Kostüme: Elke Gattinger).
Das Farbschema ist auf Grün und Rot getrimmt: Grün für die hoffnungsvollen 'Biedermänner', Rot für das pyromanische Duo. Dazwischen der Feuerwehr-Chor, der in antikisierender Manier immer wieder vor der drohenden Gefahr mahnt. Alleine Biedermann will nicht hören; da nützt auch das Flehen der Gattin nichts. Babette (Susanne Wende) ist genauso betucht wie oberflächlich. Eine Mischung, die nicht lange funktionieren kann. Babette fügt sich also den Wünschen ihres Mannes und umgarnt die ungebetenen Hausgäste; zuerst widerwillig, später aus Überzeugung und mit Charme. Wenn man sich mit den beiden anfreunde, dann könne doch nichts mehr passieren, oder? Falsch gedacht: Denn die zwei Pyromanen Schmitz (Frederic Soltow) und Eisenring (Magnus Pflüger) sind zwei grundehrliche, mephistophelische Schurken. Mit großen karikierenden Gesten konsumiert Schmitz sein nicht vorhandenes Mahl oder raucht nicht angezündete Zigarren. Eisenring tritt dezenter im Gestus auf, allerdings auch diabolischer als sein mephistophelisches Pendant. Entsprechend akzentuiert übrigens auch Dienstmädchen Anna (Magdalena Oettl). Laut lamentierend stürzt sie in den Raum oder ruft nach Biedermann. Außerdem trägt sie effektiv die reklamierte Tafel voller Speisen unter den Arm geklemmt aus dem Raum. Erheiternde Momente, die dazu beitragen, dass dem Geschehen meistens mit einem gewissen Schmunzeln beigewohnt wird.
P. Raffalts „Biedermann und die Brandstifter“ fühlt sich ähnlich an wie Brecht, mit einem Spritzer Hofmannsthal und einem Hauch von Goethe. Musikalische Arrangements begleiten die Szenenwechsel und steigern sich zum Ende hin im Volumen (Musik: Matthias Jakisic). Das Grande Finale ist schließlich da und es kommt, wie es kommen musste. Eine Lehre gibt es natürlich auch, egal was Frisch im Untertitel schrieb. Aber das war auch irgendwie von Anfang an klar. (HP Schauspielhaus)
© Veronika Zangl, 2017
Foto: Jan Friese