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Gretchen 89FF - Theater Transversale

Die Bühnen-Götter müssen verrückt sein

Theater liefert nicht nur Stoff, aus dem Träume sind. Wie chaotisch und stereotyp es bisweilen hinter den Kulissen zugeht, verrät „Gretchen 89FF“: Liebevoll richtet die Komödie ihren persiflierenden Blick auf schwierige Rollenerarbeitungen und natürliche Antipathien. Vorhang auf!

Faust I, Reclam-Bändchen Seite 89ff: Goethes berühmte Tragödie liefert die Ingredienzien zu Lutz Hübners Komödie. Das Sujet? Die Kästchen-Szene – kennt jeder, das prädestiniert sie zum Ausgangspunkt für die humorige Inszenierung, die auch gleich das gewisse Quantum an Selbsterkenntnis mitbringt.

Für „Gretchen 89FF“ schlüpfen Bina Blumencron und Gerhard Greiner (Theater Transversale) in die unterschiedlichsten Charakterstudien von Regisseur und Schauspielerin. Freilich bleibt es nicht dabei; die verschiedenen Parts werden entsprechend ausgedehnt und in Sekundenschnelle gewechselt. Da ist beispielsweise der jähzornige künstlerische Leiter, der einen cholerischen Anfall à la Klaus Kinksi hinlegt, dass es für alle Unbeteiligten eine Freude ist. Der Unsichere lässt sich von der divaesken Aktrice schikanieren und nimmt ihre ungebetenen Rollenvorschläge irgendwann resigniert in sein Regiebuch auf. Gegen sie anzukommen, wäre ohnehin ein Ding der Unmöglichkeit, dafür brüllt sie viel zu kräftig. Dann ist da aber auch noch der Wiener Charmeur, der – Bussi links, Bussi rechts – gleich sehr vertraut mit der sekündlich konsternierter wirkenden Schauspielerin ist. Vice versa zeichnet B. Blumencron ein ebenso humoreskes Bild: Die ambitionierte Schauspielschülerin bringt sich übereifrig in die Rollenerarbeitung ein und treibt mit ihrem Aktionismus nicht nur dem künstlerischen Leiter die Tränen in die Augen. Als feministische Regisseurin besetzt sie das Gretchen selbstverständlich mit einem männlichen Darsteller, den sie am liebsten auch gleich symbolisch entmannen möchte. Als routinierte Schauspielerin begegnet sie dem ambitiösen Hospitanten und verkappten Germanistik-Studenten mit großer Ruhe, bevor sie fluchtartig den Raum verlässt. Zurück bleibt der Haiku-Fan – im Tisch feststeckend.

Die liebevoll gezeichneten und wunderbar selbstironischen Charakterzeichnungen von „Gretchen 89FF“ treffen in der Interpretation der beiden Schauspieler voll ins Schwarze. Gleichzeitig entmythisieren sie den Theater-Betrieb und demonstrieren eindrücklich, dass es auch hinter der Bühne ziemlich menschlich zugeht – mit allen Höhen und Tiefen. (mehr...)

© Veronika Zangl, 2017

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