"Hedda Gabler" - Schauspielhaus Salzburg (Rezension)
Norwegen hält Einzug am Salzburger Schauspielhaus. Seit 24.11.2016 findet sich ein weiterer Klassiker am Spielplan und wird mit Henrik Ibsens „Hedda Gabler“ neu inszeniert.
„Hedda Gabler“ ist Kult. Kein Wunder, entstammt es auch der Feder des wohl berühmtesten norwegischen Dichters, Henrik Ibsen. Der Wegbereiter des Naturalismus setzte bereits mit dem Titel für sein Drama ein Zeichen und rückte die Frauenfigur unweigerlich in den Fokus.
Für das Schauspielhaus Salzburg inszenierte Charlotte Koppenhöfer das 1890 entstandene Stück Ibsens und setzt dabei vor allem auf Purismus (Ausstattung: Julie Weideli, Video: Michael Winiecki, Dramaturgie: Christoph Bartscheider). Als Kulisse dient ein Stahlgerüst, das nicht nur über abstrakte Türen verfügt, sondern vermutlich auch als Chiffre für die beengte bürgerliche Welt steht. Aus der will Hedda Gabler (wunderbar gelangweilt und zugleich emotional Alexandra Sagurna) nämlich unbedingt ausbrechen. In die Ehe zu Jørgen Tesman (Magnus Pflüger leidenschaftlich und Gerüst erprobt) willigt sie nur ein, weil sie sich durch die Verbindung eine gesellschaftlich angesehene Position verspricht. Ein Irrglaube, steckt der Intellektuelle Tesman doch seinen Kopf nur in Bücher und verteidigt in den Flitterwochen seine Doktorarbeit. Als Hedda mit dem Alltag einer kleinbürgerlichen Realität konfrontiert wird, sind ihre einzigen Freuden die Sticheleien gegen Tesmans Tante Fräulein Juliane (scharfzüngig Ute Hamm). Bis schließlich Thea Elvsted (schüchtern und dennoch bestimmt Christiane Warnecke) und Ejlert Løvborg (unbeherrscht und emotional Matthias Hinz) auftauchen. Die eine ist eine alte Bekannte aus Heddas Schulzeit und der andere ein ehemaliger Geliebter, der zum geisteswissenschaftlichen Konkurrenten für Tesman avanciert. Als Hedda Theas Interesse an ihrem ehemaligen Liebhaber bemerkt, beginnt sie mit Erfolg zu intrigieren. Es sind diese Momente, in denen Hedda ihre Erfüllung findet und ihre wahre Leidenschaft offenbart. Die treibt sie so weit, dass sie Løvborg anrät, sich doch das Leben zu nehmen. Hedda gerät in Entzückung, als sie erfährt, dass Ejlert Løvborg sich tatsächlich umgebracht haben soll. Tesman zeigt sich zwar entsetzt über die Reaktion seiner Frau, distanziert sich allerdings auch nicht von ihr.
Ibsens analytisches Enthüllungsdrama „Hedda Gabler“ wurde von Ch. Koppenhöfer teilweise als Tragikkomödie inszeniert. Die humorig ironischen Ansätze mancher Figuren laden zum Lachen ein, doch die Tragik sitzt tief. Das wird trotz optischer Übertragung in das 21. Jahrhundert rasch deutlich. Die Kostüme passen sich ihrer neuen Zeit an, das Bühnenbild erfreut vermutlich vor allem sportliche Purismus-LiebhaberInnen. Vielleicht sollte in Anbetracht des zeitgenössischen Eindrucks auch die Sprache Ibsens noch die eine oder andere moderne Note bekommen. Der berühmte Norweger wäre posthum sicherlich erfreut; immerhin hatte er als Naturalist ja auch ein Faible für die Sprache des Lebens. Aber auch ohne sprachliche Ergänzungen hinterlässt „Hedda Gabler“ sichtlich Eindruck. Das Premierenpublikum zeigt sich angetan von der schauspielerischen Leistung der Mitwirkenden und antwortet mit akustischer Zuwendung.
(Hedda Gabler / Schauspielhaus)
© Veronika Zangl, 2016