"Leonce und Lena" am Landestheater Salzburg
Georg Büchners zeitloses „Leonce und Lena“ premierte in neuem, adaptierten Inszenierungs-Kostüm am Landestheater in Salzburg. Das Publikum ist sichtlich angetan.
Georg Büchner war 23 Jahre alt, als er starb. Vier Jahre älter und Musiker, er wäre vermutlich Mitglied im tragisch-berühmten „Klub 27“; der Clique der viel zu früh verstorbenen Musiklegenden. Ist er aber nicht; stattdessen hinterließ Büchner lieber ein beeindruckendes literarisches Œuvre, dessen Titel Jahrhunderte später persistent ganz oben in den Hitparaden des deutschsprachigen Literaturkanons rangieren.
Einer seiner Texte fand jetzt den Weg ins Salzburger Landestheater und ist gleichzeitig auch Büchners einziges Lustspiel: „Leonce und Lena“. Allerdings kann von einer banalen „Verlach-Komödie“ keine Rede sein. Erstmals 1837 posthum publiziert, ließ sich das Publikum anfangs von den Romantizismen in die Irre führen. Erst nach der gescheiterten Revolution 1848/49 erkannten Büchners Zeitgenossen den wahren Charakter des mit Wortwitz und Anspielungsreichtum prallgefüllten „höheren“ Lustspiels.
In Salzburg besann sich Caroline Ghanipour (Inszenierung) gemeinsam mit Peter Engel (Ausstatter) vor allem auf das polit-satirische Moment. Das puristisch nüchterne und graue Bühnenbild wird zur gelungenen Persiflage eines Duodezfürstentums. Schräg in die Mitte hin ablaufende Mauern symbolisieren den Zwergenstaat des Königs von Popo, der seinen Sohn, Prinz Leonce, gerne mit Prinzessin Lena von Pipi verheiraten möchte. Bevor es aber dazu kommt, flüchtet der Prinz mit seinem Diener Valerio und auch die angedachte Prinzessin sucht mit ihrer Gouvernante lieber vorsorglich das Weite. Da das im minimalistischen Zwergenstaat allerdings nicht sehr weit ist, kreuzen sich unweigerlich ihre Wege. Alles spielt und fällt in diesen drei höchst begrenzten Wänden, die bisweilen auch auf zwei reduziert werden und der eigentlichen Bühnengröße sichtlich entgegenkommen. Zentral ein weiß gestrichener und verkürzter Sessel, der den Lilliput-Eindruck noch akzentuiert. Die Schauspieler*innen tun ihr ihriges, wenn sie über Mauern hüpfen, durch Mauern schlüpfen und in heiteren Größenordnungsvariationen an Mauern vorbeispazieren. Was vordergründig in so vergnüglichem Gewand daherkommt, ist allerdings bereits politisch konnotiert. Interessanterweise erregen dabei Büchners Chiffren für Darmstadt keineswegs die Publikumsgemüter. Das gelingt dafür König Peter von Popo (Walter Sachers), der wirr und konfus hohe philosophische Reden schwingt und dennoch nur leere Worthülsen produziert. Sein Kammerdiener (Axel Meinhardt) fungiert als kluges Echo, das seine Worte mit Bedacht wählt. Als Staatsdiener darf er das Publikum auch charmant beleidigen und es wird ihm keinesfalls zürnen. Prinz Leonce (Clemens Ansorg) frönt, ganz der Herr Papa, auch dem Denken, allerdings in konträrer Weise. Von Langeweile und Weltschmerz geplagt, gerät Leonce in Panik, als er von seiner bevorstehenden Heirat erfährt. Prinzessin Lena (Julienne Pfeil) sucht indes ihr Heil in der Romantik und hängt schwärmerischen Phantastereien nach. Da in Ghanipours Inszenierung dafür nicht ganz so viel Platz ist, bleibt es bei verbal geäußerten Träumen. Immerhin eine grüne Plastikpflanze dient als verdinglichte Metapher für die Romantiker-Ideale. Als wahrer Wortakrobat liefert Sascha Oskar Weis in der Rolle des Valerios Büchners feurig-freche, ironische Wortspielereien und Wortverrenkungen auf den Punkt und glänzt damit einmal mehr in seiner mephistophelischen Paraderolle.
Es scheint kein leichtes Unterfangen, das Anspielungspensum von „Leonce und Lena“ in bühnentaugliche Form zu bringen. Abstriche sind also zu erwarten, doch sie ändern trotzdem nichts an der gelungenen Inszenierung in Salzburg. Das Publikum jubelt „seinen“ Regent*innen zu und schwenkt noch ein letztes Mal fleißig das eine oder andere Fähnchen.
© Veronika Zangl