So gar nicht romantisch – das Künstlerleben der Pariser Bohèmiens
Sichtlich begeistert zeigt sich das Publikum am Premierenabend von Puccinis „La Bohème“. In der Inszenierung von Andreas Gergen fand es einmal mehr seinen Weg zurück ans Haus für Mozart.
Eigentlich sah alles so gar nicht nach einem Erfolg aus, als Giacomo Puccinis Oper „La Bohème“1896 Uraufführung feierte. Die Kritiken waren denkbar schlecht. Davon ließ sich aber das Publikum nicht beirren, denn das Stück in vier Bildern entpuppte sich als kleines Novum. Erstmals wurde in der italienischen Oper das Leben, Leiden und die Liebe von einfachen Menschen thematisiert. Das kam damals schon an und erfreut sich auch heute noch großer Beliebtheit.
Dichter Rodolfo lebt gemeinsam mit seinen Künstlerfreunden in einer Bohèmien-WG. Das Geld ist knapp, die Nahrung auch. Als Rodolfo seine Flurnachbarin Mimì trifft, kann er ihr noch nicht einmal Feuer für ihre erloschene Kerze anbieten. Natürlich verlieben sie sich trotzdem. Allerdings ist Mimì krank und Rodolfo beendet die Liaison, um ihr ein besseres Leben zu ermöglichen. Die erzwungene Distanz währt nicht lange.
Andreas Gergens Inszenierung von „La Bohème“ ist selbstverständlich zeitgenössisch (Kostüme: Regina Schill, Lichtdesign: Richard Schlager). Das gewisse Identifikationspotential, das die Oper seit seiner Uraufführung versprüht, verpflichtet schließlich. Deshalb nutzt Rodolfo auch seinen Laptop und tanzen die StatistenInnen zu Techno-Beats. Luciano Ganci und Shelley Jackson begeistern als Rodolfo und Mimì. Mit ihrer wunderbaren Stimmstärke, dominieren sie die Bühne. Empathisch und nuanciert verleihen sie den Arien und Duetten eine spezielle Note. Für den lyrisch-sentimalen Teil der Oper gebucht, liegt das Augenmerk auf der vokalen und schauspielerischen Darstellung, die beide vorzüglich beherrschen. Heiter und beschwingter dürfen Marcello (David Pershall) und Musetta (Hailey Clark) agieren. Entsprechend temperamentvoll gestalten sich ihre Partien, bei denen amüsante verbale Schlagabtausche die Dialoge dominieren. Wirklich amüsant und flapsig wird es mit Schaunard (Elliott Carlton Hines) und Colline (Raimundas Juzuitis). Den beiden Freunden sitzt der Schalk im Nacken und ihren Darstellern ebenso. Das führt dazu, dass sich Colline hingebungsvoll komisch von seinem Mantel verabschiedet, um ihn für Mimìs Wohlbefinden zu opfern. Die Geste rührt, R. Juzuitis voluminöser Bass mindestens ebenso.
Das Bühnenbild von „La Bohème“ setzt auf Videoanimationen. Dafür eignet sich die graue Kulisse des Pariser Altbaues hervorragend. Effektvoll werden Projektionen von Schneeflocken oder ein belebtes Bildnis Mimìs an die Hauswand geworfen. Beim spielerischen Kampf mit den Malerpinseln folgen bunte Farbkleckse (Bühne: fettFilm).
Richtig idyllisch stimmen wiederum die Chorszenen in weihnachtlicher Kulisse. Dabei entzücken nicht nur die Kinder. Fröhlich avanciert die Versammlung auf dem Markt zu einem Fest (Musikalische Einstudierung und Leitung des Kinderchores: Wolfgang Götz). Zudem oszilliert auch ziemlich rasch „La Bohème“, das unprätentiös und eindrücklich mit musikalischer Finesse sein Publikum in den Bann zieht.
© Veronika Zangl, 2017
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