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Ich weiß, was du die letzten Jahre geschrieben hast

 

Susi Webers Inszenierung „Vorhang!“ reflektiert humorvoll das Verhältnis zwischen SchauspielerInnen und RezensentInnen. Das amüsante Resultat premierte jetzt am Schauspielhaus Salzburg.

So ein Schauspieler hat es nicht leicht und ein Rezensent nicht minder. Es ist die ewige Kluft zwischen der schauspielenden und der schreibenden Zunft, der das amerikanische Multitalent Charles Marowitz mit „Vorhang!“ ein Sprachrohr verlieh. Spöttisch, ironisch und mit viel Humor kreierte der Autor, Theaterdirektor und Regisseur eine köstliche Komödie, die Susi Weber für das Schauspielhaus Salzburg inszenierte (Ausstattung: Isabel Graf).

Es ist ein perfider Racheplan, den die alternde Schauspielerin Mitzi Crenshaw da entwickelte. Zu oft wurde ihr Schauspiel in den Kritiken von A. A. Charnick verrissen; jetzt hat sie ihn unter falschem Vorwand in ein leerstehendes Theatergebäude gelockt. Dort bezirzt sie Charnick zuerst als junge französische Assistentin, ehe sie ihn überwältigt und an den Stuhl gefesselt ein letztes Mal mit ihrem Schauspiel beglückt. Crenshaw will dem Erzfeind noch eine allerletzte Chance geben, seine Meinungen aus den vergangenen Rezensionen zu revidieren. Alleine A. A. Charnick ist nicht so einfach zu überzeugen. Selbst mit dem tödlichen Strick um den Hals lässt er sich noch zu vernichtenden Kommentaren hinreißen.

„Vorhang!“ ist eine Komödie für alle, nicht nur für Theaterleute und TheaterliebhaberInnen. Selbstironisch werden alle Facetten des Kulturbetriebes in einer Guckkastenbühne inspiziert und persifliert. Der Rezensent (Antony Connor mit großartigem mimischem Repertoire) ist archetypisch in Cordhose, kariertem Jackett, Pullover und totale Selbstüberschätzung gekleidet; das verleiht seinem arrogantem Auftreten den finalen elitären Schliff. Mitzi Crenshaw (tiefgründig Daniela Enzi) fasziniert durch ihr übertriebenes Schauspiel einerseits, andererseits mit Hysterie und Wahnsinn bei gleichzeitiger Natürlichkeit. Alsbald stellt sich die Frage, was ist Schauspiel, was ist Realität? Um die Verwirrung zu vervollständigen, stolpert der liebenswert verschrobene Schauspieler-Gatte Denis Michaelson (Harald Fröhlich) in den perfiden Racheplan der gekränkten Diva. Sofort will er seine Frau von ihrem teuflischen Unterfangen abbringen. Doch dann weist sie ihn auf die Kränkungen hin, die er selbst durch den verhassten Rezensenten erfahren musste.
Der Fortgang der Komödie lässt sich nie wirklich fassen. Geschickt entzieht sich die Inszenierung immer wieder sämtlichen Schlussfolgerungen und führen D. Enzi und H. Fröhlich auf neue Fährten, während ihre Charaktere den Rezensenten auf Gefühlsachterbahnfahrt schicken; auf dem Beifahrersitz nimmt das Publikum Platz.

„Vorhang!“ ist der Stoff aus dem geheime Rache-Fantasien gesponnen sind. Endlich einmal dürfen sie ungeniert ausgelebt und sich gleichzeitig ausgiebig darüber amüsiert werden. Das genießen sämtliche Beteiligten sichtlich und der Schlussapplaus verrät, dass es ankommt. (Schauspielhaus...)

© Veronika Zangl, 2016

 

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