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Amerika

OFFtheater Salzburg (Rezension)

Der Wahnsinn hat Konjunktur

Im OFFtheater kleckert man nicht verschämt mit Inszenierungen, sondern klotzt lieber voller Stolz. Neuester Clou: „Amerika“ - das Regietheaterstück frei nach Franz Kafka. Wunderbar schräg.

„Think outside the Box“: In der Marketing-Branche ist dieser Satz vermutlich einer der am häufigsten bemühten Claims. Da entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass ihn just die wilde Offtheater-Szene zur Perfektion getrieben hat. Genau genommen das OFFtheater Salzburg; das genießt mit seinem Hang zu schrägen Produktionen längst Kultstatus. Und den gilt es zu pflegen. Beispielsweise mit der neuesten Inszenierung am Gnigler-Haus: „Amerika“ frei nach Franz Kafka.

Der 17jährige Karl Rossmann wurde von den Eltern verstoßen, nachdem er das Dienstmädchen schwängerte. Dass die Schuld dabei beim Dienstmädchen lag, das ihn einfach 'überrumpelte', kümmerte die Eltern nicht. Die Schiffspassage nach Amerika ist schnell gebucht und der naive Junge bereits auf dem Weg. Dass es von da an nur noch abwärts gehen kann, ist klar – Kafka verpflichtet, auch was das offene Ende anbelangt.

Alex Linse inszenierte „Amerika“ (Textfassung Max Pfnür, Kostüme & Maske: Andrea Linse, Musik: Alex Linse & Jonas Meyer-Wegener) als surreal-schräges Treiben, das zwischen Traum, Realität und Wahnsinn hin- und herschwankt. In atemlosem Tempo entfaltet sich Karl Rossmanns Geschichte neu und lässt die Rezipienten-Sinne von einem adaptierten Erzählfluss profitieren. So erfährt Thereses Part (Felicitas Biller) eine zusätzliche und spannende Ausrichtung. Als Karls (Thomas Hofer) weibliches Pendant taucht sie immer wieder im Geschehen auf und wird zu seinem persönlichen Cheerleader. Amerika, du Land der unbegrenzten Möglichkeiten – selbst wenn sich Karl erstaunlich resistent gegen Thereses und andere wohlmeinende Ratschläge erweist. Viel lieber umgibt er sich mit den falschen Personen beziehungsweise in diesem Fall Vaterfiguren. Neben einem waschechten Cyborg (Max Pfnür in latent unheimlicher Maske) oder einem dubiosen Landstreicher-Duo (Max Pfnür und Jonas Zacharias in windiger Mission), bekleckert sich auch der hasserfüllte Oberportier (Thomas Pfertner) nicht gerade mit Ruhm oder die  Hiobsbotschaften überbringende Frau Green (Anja Clementi ganz in Schwarz – vom Scheitel bis zur Seele). Da hilft dann auch die wohlgesonnene Köchin des Hotel Occidental (Diana Paul als Exil-österreichische-Frohnatur) nur noch wenig;

Karl Rossmann ist eine merkwürdig arglose Mischung. Ein bisschen Nils Holgersson, ein bisschen Simplicissimus und sehr viel Unschuld. Nicht gerade die beste Mischung, um als Kafkas Protagonist zu überleben. Ein Glück für ihn also, dass „Amerika“ ein Fragment blieb – das im OFFtheater in eine epiphanische Theater-Erlösung kulminiert. Hurra, der theatrale Messias ist da, in Form der richtigen Berufsbezeichnung für Karl (köstlich die Szene, in der er – ganz Kafka – von einem Schalter zum nächsten geschickt wird) und einer gütigen Theaterdirektorin (Anja Clementi mit salbungsvoller Rede).

Wer braucht schon ein großes Bühnenbild, wenn auch ein sehr überschaubares, wie die Boxen im OFFtheater, eine komplexe Neue Welt auferstehen lassen – und das in absolut kafkaesker Manier.  Großes Theater auf kleinstem Raum. Chapeau. (mehr...)

© Veronika Zangl, 2018

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