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„Aquarium“

Kammerspiele Salzburg (Rezension)

Eindrückliche Synchron-Collagen

Uraufführung am Salzburger Landestheater: Ronnie Brodetzkys AQARIUM premierte unter großem Jubel an den Kammerspielen.

Die israelische Regisseurin Ronnie Brodetzky überhörte in einem Kaffeehaus zufällig das laute Gespräch zweier älterer Damen. Sie befand die Konversation so interessant, dass sie sich Notizen machte. Zuhause bemerkte Brodetzky jedoch, dass bei ihrer Mitschrift etwas verloren gegangen war; es fehlten die Emotionen und das leidenschaftliche Gefühl der Unterhaltung. „Und so kam der Gedanke, direkt mit Tonaufnahmen zu arbeiten“, erzählt die Regisseurin. Sie wollte eine neue Art des Zuhörens schaffen, das durch die Überlagerung von älteren Stimmen mit jungen Körpern entsteht. Was in Israel Anklang fand, sorgte bei seiner Uraufführung in Salzburg ebenfalls für Begeisterung (Regie: Ronnie Brodetzky, Bühne und Kostüme: Ruth Miller, Choreografie: Tal Cohn, Sounddesign, Ton und Schnitt: Dan Hirsch).

Die Eigenproduktion des Salzburger Landestheaters orientiert sich am israelischen Vorbild; gleichzeitig wurden für die Dialoge und Monologe ältere Menschen in und um Salzburg befragt. Sie erzählen offen und ehrlich von großen Gefühlen; verhaspeln sich manchmal, verlieren den Anschluss oder suchen verlegen nach Worten und ringen um Fassung. Von Augenzwinkern bis Dramatik ist jedes Gefühl in der Ton-Collage präsent und wird einfühlsam von den jungen Schauspielern aufgegriffen (Elisa Afie Agbaglah, Genia Maria Karasek, Lilian Mazbouh, Jaqueline Bergrós Reinhold, Tim Oberließen, Gregor Schulz, Hanno Waldner). Die wandeln sich in ihrer synchronen Performance (Tal Cohn) und beinahe identischen Kostümen zu menschlichen Projektionsflächen. Die Stimmen der Älteren leiten den Fluss von Mimik und Gestik, die nahtlos ineinander übergreifen und stets präsent sind. Die SchauspielerInnen bleiben stumm. Sie bewegen stattdessen ihre Lippen tonlos aber synchron zu den Einspielungen aus dem Off, was wie eine ganze eigene Paradedisziplin anmutet.

Gleichzeitig dominiert aber nicht nur die Homogenität von Klang und Lippenbewegungen; auch die Choreografien sind meistens fein aufeinander abgestimmt und brillieren durch Synchronizität. So wird das Theaterstück von Ronnie Brodetzky zu einer Live-Performance von großer visueller Ausdruckskraft und Stärke, die gerade durch ihre Stille und Unaufgeregtheit besticht und einen puristisch gekachelten Bühnenraum komplettiert wird. (mehr...)

Veronika Zangl, 2019

 

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