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"Briefe von Ruth" - Musicalfrühling Gmunden 2023

Rezension

Es war der März 2015 in dem Markus Olzinger und Elisabeth Sikora in Gmunden vorstellig wurden, um hier eine Institution zu gründen, die selten gezeigte und künstlerisch interessante Stücke nach Österreich bringen möchte.
Es wirkte damals ein wenig vermessen, so hochgesteckte Ziele hier in Gmunden zu etablieren. Aber wie sich heute zeigt, wurde dieses mutige Vorhaben in stets aufsteigender Anerkennung zu einem großen Erfolg, der heute aus Gmundens Kunstgeschehen nicht mehr weg zu denken ist.

Gmunden hat sich in den letzten Jahren oder um genauer zu sein, in den letzten Jahrzehnten, mit den „Salzkammergut Festwochen“ zu einem kulturellen Hotspot in Österreich entwickelt, zu dem auch der Musicalfrühling, mittlerweile ein fixer Kulturpunkt im Jahresgeschehen der Stadt, in entscheidender Weise beiträgt.

2015 also hat man mit dem Musical „Blutsbrüder“, damals mit Marika Lichter in einer der Hauptrollen, begonnen. Unser erstes Zusammentreffen mit dem Management des Musicalfrühlings und den Verantwortlichen der Stadt Gmunden, im Schlosshotel Ort in Gmunden, ist uns noch in bester Erinnerung. Mit einer gewissen Skepsis haben wir von dem Vorhaben, den Musicalfrühling hier zu etablieren, gehört. Aber schon die erste Aufführung, nämlich die des Musicals „Blutsbrüder“, war ein nennenswerter Erfolg und gaben den Initiatoren Olzinger und Sikora in ihrem Vorhaben recht. Die damals hier neue Sparte Musical kam auf Anhieb in Gmunden an.

Mittlerweile  durften wir hier in Gmunden die Musicals „Der geheime Garten“ (2016), „Sofies Welt (2017), „Jane Eyre“ (2018), „Doktor Schiwago“ (2019) bestaunen.

Nach einer Zeit der Ungewissheit, wie es denn weiter gehen werde – der Coronapause – kamen weitere Musicals „Vincent van Gogh“) (2021) und „Die Frau in Weiß“ (2022) auf die Bühne in Gmunden. Viele der Aufführungen waren (deutschsprachige) Erstaufführungen.

Alle diese Aufführungen führten in eine verzaubernde Welt mit beeindruckenden Bildern und großartigen Stimmen – von denen uns, unter anderen vortrefflichen, besonders die der Elisabeth Sikora in „Doktor Schiwago“, in Erinnerung ist.

Im heurigen Jahr 2023 kam die Welturaufführung (!) des Musicals „Briefe von Ruth“, in Kooperation mit der New York Opera Society und der Europäischen Kulturhauptstadt Bad Ischl – Salzkammergut 2024 nach Gmunden. Es erscheint uns als das wohl beeindruckendste Musical, das bisher in Gmunden gespielt wurde. Es hat mit allen seinen Vorgängern den Ruf, den Gmunden sich mittlerweile im nationalen Kunstgeschehen geschaffen hat, in nennenswerter Weise, sehr positiv beeinflusst.

„Briefe von Ruth“ ist ein sensibles Thema, das hier in einem Musical Abschnitte aus dem Leben einer jungen jüdischen, neunzehnjährigen Frau, namens Ruth Maier zeigt. Darin werden existentielle Fragen ihres Erwachsenwerdens, ihrer Gefühle, der politischen Entwicklungen in ihrem Lebensraum und ihrer daraus entstandenen Verlorenheit, wie auch Ihre Flucht vor dem Rassenwahn des Nazi-Regimes nach Norwegen zum Thema. Ihr Leben in Norwegen, ihrer intensiven Freundschaft zu der norwegischen Schriftstellerin Gunvor Hofmo, die ihr Leben in entscheidender Weise beeinflusst, und schließlich ihre dortige Gefangennahme und Deportation nach Ausschwitz, sind elementare Themen des Bühnenstücks.

Ruth Maier verfasste in ihrem zweiundzwanzigjährigen, kurzen Leben zahlreiche Tagebucheinträge, die die Grundlage zum Thema im Musical bilden. Ihre umfangreichen Schriften sind seit 2014 Teil des UNESCO Welt-Dokumenten-Erbes.

Es beeindruckt, wie geschickt das Musical diese doch sehr unterschiedlichen Lebenssituationen der Ruth Maier von heiter bis tragisch zu interpretieren und darzustellen vermag. Neben der Intendanz,  der Regie, dem Bühnenbild, ist es natürlich auch in sehr entscheidender Weise der hochkarätigen Besetzung des Stückes zu verdanken, dass dieses Bühnenwerk zu einem so großen Erfolg wurde.

Allen Interpreten voran ist Jasmina Sakr zu erwähnen, die als Ruth Maier den wohl größten und schwierigsten Part des Stückes zu spielen hat. Jasmina Sakr, bekannt aus nationalen und internationalen Opern- und Theaterhäusern, ist wohl eine erste Wahl für diese Rolle, die sie sehr beeindruckend und überzeugend spielt.    Tamara Pascual, Yngve Gasoy-Romdal (ein Darsteller der ersten Stunde in Gmunden), Kudra Owens, Previn Moore sind weitere Namen, die man im Genre kennt. Die junge Gmundnerin Michaela Thurner als Judith Maier, Lukas Müller, Kun Jing und Konstantin Zander ergänzen das Team. Ein wenig gefehlt im Ensemble, hat uns diesmal die hochengagierte Elisabeth Sikora mit ihrem trefflichen Sopran und auch Yngve Gasoy Romdal, eine tragende Figur in allen vorherigen Aufführungen, stand diesmal ein wenig im Hintergrund, was aber sicher der Handlung des Stückes geschuldet ist.

Das Musical „Briefe von Ruth“ hat uns unterhalten, beeindruckt, betroffen gemacht, uns zum nachdenken angeregt und uns – anlässlich der aktuellen politischen Entwicklungen in und um Europa - neuerlich in Erinnerung gerufen, dass es niemals mehr so weit kommen sollte, dass sich solche Schicksale wie das der Ruth Maier wiederholen können. Es bleibt zu hoffen, dass der Mensch noch rechtzeitig aus seiner Geschichte lernt.

Nicht unerwähnt wollen wir lassen, dass es Ruth Maiers Werke gebunden in den Büchern „Das Leben könnte gut sein“ bzw. „Es wartet doch so viel auf mich..“ von Jan Erik Vold zu erwerben gibt.

Das Musical dürfen wir unseren Lesern aus bester Überzeugung ans Herz legen.

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© Rudi Gigler, 2023