Die Leiden des jungen Werthers
Heute schon geschwärmt?
Salzburger Landestheater (Rezension)
Goethes „Die Leiden des jungen Werthers“ stellt in den Kammerspielen des Salzburger Landestheaters die Bühne auf den Kopf. Mit viel Spaß und Leidenschaft interpretierte Johannes Ender den alten Stoff neu.
Dreiecksgeschichten sind immer eine unangenehme Angelegenheit, das wussten auch die Werther-Anhänger. Nach Goethes Erstveröffentlichung seines Briefromans „Die Leiden des jungen Werther“ 1774 brach ein regelrechter Werther-Wahn aus: Unzählige Menschen sympathisierten mit dem jungen, fiktiven Schwärmer und leidenschaftlichen Empathen und huldigten ihrem tragischen Idol. Auf genau diese großen Gefühle zielt auch Johannes Enders Neuinszenierung des Goethe'schen Klassikers am Salzburger Landestheater (Bühne und Kostüme: Hannah Landes, Dramaturgie: Friederike Bernau).
Im kleinen Rahmen der Kammerspiele entfaltet Goethes empathisches Gefühlskaleidoskop auf innovative Weise seine Größe. Dafür transferierte der Regisseur den dramatisierten Briefroman in die Moderne. Der Plot ist der gleiche geblieben: Junger, leidenschaftlicher Mann (Werther) verliebt sich in bereits vergebene Frau (Lotte) und nimmt sich aus unerfüllter Liebe am Ende selbst das Leben.
Johannes Ender filterte aus der vertrackten Romanstruktur die drei Hauptfiguren Werther, Lotte und Albert. Wobei Lotte und Albert immer wieder zu einer Art Erzähler transformieren, die das Publikum mit kurzen Ebenen-Wechseln verlässlich durch das Stück geleiten. Sie sind es, die dem dramatischen Helden eingangs Spalier stehen, auch wenn er sich etwas bitten lässt. Eine humorige Szene, die den locker-leichten Unterton der Inszenierung vorausnimmt. Hanno Waldner gibt den leidenschaftlichen Werther und strotzt vor Übermut. Kaum Lottes ansichtig geworden, transferiert er seine Gefühle auf die schöne junge Frau und stürzt sich voller Tatendrang in sein amouröses Abenteuer. Blind vor Liebe kann so viel Leidenschaft natürlich nicht lange funktionieren. Als gebrochener Mann verlässt sein Werther scheinbar aller Emotionen beraubt die Bühne und sorgt für einen starken Abgang. Janina Raspe gibt die lebensfrohe Lotte und das Ideal beider Männer. Keck pendelt sie zwischen ihren Verehrern hin und her. Sie kokettiert mit Werther und befeuert seine Avancen, ehe die Vernunft, und damit ihr Verlobter Albert, siegt. Tim Oberließen mimt diesen Albert wunderbar eifersüchtig. Mit seiner Abscheu vor dem Kontrahenten orientiert er sich am leidenschaftlichen Werther und hält mit seinen Gefühlen nur sprachlich hinter dem Berg. Optisch offenbart sich der sehr gelbe Gefühlsreigen mit dem entsprechenden Mienenspiel im Gesicht.
Für modernen Elan sorgen die poppigen Einsprengsels des jungen Regisseurs. Hier werden Dinosaurier auf die Bühne bemüht, dort kommt es zum Schwertkampf im Weltall. Dass „Die Leiden des jungen Werthers“ trotzdem nicht der Lächerlichkeit preisgegeben wird, liegt an der Ehrfurcht vor dem Stoff, der trotz aller humorigen Sequenzen immer wieder durchschimmert. Zur gewissen Leichtigkeit tragen auch die temporeichen Dialog bei, eine Symbiose aus Goethes Sprachduktus und zeitgenössischer Syntax. Die Naturverbundenheit Werthers wird mit viel Farbe von den Figuren selbst an die Wände gepinselt und überhaupt geht es im neu inszenierten „Werther“ nicht immer todernst zur Sturm und Drang-Sache. Bemühungen, die sich lohnen, und den großen Stoff auch einem jungen, modernen Publikum auf einfache Weise näher bringen. (mehr...)
© Veronika Zangl 2017
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Fotos:Anna-Maria Löffelberger