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„Die unsichtbare Hand“

Schauspielhaus Salzburg (Rezension)

Die Geister, die der Kapitalismus rief

Mit „Die unsichtbare Hand“ premierte am Schauspielhaus Salzburg ein weiteres Stück aus der Feder von Ayad Akhtar – der Börsenthriller rückt eine neue Art des Terrorismus in den Fokus.

Liegt es an der Schere zwischen arm und reich, liegt es am religiösen Terrorismus – Ayad Akhtars „Die unsichtbare Hand“ beschäftigt sich mit genau dieser Frage und hat das Milieu für seinen kapitalistischen Börsenthriller in den Nahen Osten verlegt. Das mag daran liegen, dass der Autor mit den pakistanischen Wurzeln ein Faible für Pakistan-Anleihen besitzt. Bereits bei „Geächtet“ floss sein Hang für die alte Heimat ein, der er aber durchaus kritisch gegenübersteht. Auf „Geächtet“ folgt jetzt „Die unsichtbare Hand“ in der Inszenierung von Florian Hackspiel am Schauspielhaus Salzburg (Bühne: Annett Lausberg, Musik: Philipp Tröstl).

Die terroristische Splittergruppe hatte es eigentlich gar nicht auf Nick Bright abgesehen, sondern auf seinen Chef. Das hilft dem Börsianer in seiner pakistanischen Zelle wenig. Genauso wenig wie die maßlose Lösegeldforderung, die die Terroristen seinem Arbeitgeber und seiner Familie stellen. Völlig utopisch, weil die Entführer trotzdem auf die exorbitante Summe beharren, verhandelt der Entführte selbst einen Deal: Nick wird sich sein Lösegeld an der Börse erwirtschaften. Damit setzt der Finanzmensch eine Reihe unkontrollierbarer Ereignisse in Gang, die eine erstaunliche Wendung nehmen.

Auch wenn Ayad Akhtar gerne exemplarische Figurenzeichnungen betreibt, die Charaktere in „Die unsichtbare Hand“ besitzen Divergenz. Bülent Özdil durchlebt als Nick Bright eine Odyssee, in der der Schauspieler eine stolze Anzahl an emotionalen Stadien durchläuft. Von verzweifelt bis rasend, von resigniert bis hoffnungsvoll – und am Ende kann Nick selbst nicht ganz begreifen, welches kapitalistische Monster er mit Bashir erschuf. Christopher Schulzer vollzieht als Bashir eine radikale Coming-of-Age Reise. Der enttäuschte Auswanderer-Sohn mit stark reduziertem Selbstwertgefühl mausert sich schrittweise zum emsigen Börsenschüler, der am Ende gewissenlos zur Schreckenstat schreitet, um noch mehr Gewinn zu lukrieren. Antony Connors Imam Saleem indes zeigt eine gegenteilige Entwicklung; anfangs im Fell des harmlosen Schafes hochgradig manipulativ und aggressiv, eruptieren in letzter Minute echte Gefühle. Jetzt ist es allerdings Nick, der ihn kalt verhöhnt und verspottet.

Die Bühne für „Die unsichtbare Hand“ ist reduzierter als die meisten im Studio des Schauspielhaus und gewinnt aber gerade durch diese räumliche Reduktion ungeahnte Größe. Sie multipliziert die Zustände auf der Bühne - Nicks temporärer Zwangsbleibe wird zum Dreh- und Angelpunkt  und erinnert an die Inszenierung von Anselm Weber in Bochum. Quadrate, so weit das Auge reicht. Die unterstreichen das strukturierte und berechnende Börsentum und öffnen die Tür zu einer dunklen Zukunft: Finanzterrorismus? Das scheint mit dem well-made-play von Akhtar in der Inszenierung von Florian Hackspiel gar nicht mehr so fern. Eine spannende Produktion mit erschreckendem Resultat. (mehr...)

© Veronika Zangl 2019

 

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