Doctor Doolittle
Literarische Musical Nostalgie
Salzburger Landestheater (Rezension)
Neue Spielzeit, neues Musical-Glück: Mit „Doctor Dolittle“ steht am Salzburger Landestheater ein Kinderbuchklassiker aus dem letzten Jahrhundert auf dem Programm. Andreas Gergen führt ihn über die Moderne zurück zu seinen Wurzeln – eine spannende Kombination.
Was tun, wenn man im Schützengraben liegt und um sein Leben bangt? Während die einen vermutlich verzweifeln und die anderen vielleicht resignieren, griff Hugh Lofting zu Stift und Papier. Für seine Kinder erfand er die Abenteuer des wunderlichen Doctor Dolittles und schrieb sie in Briefen nieder. Das Ergebnis erfreut bis heute Generationen. Andreas Gergen brachte den literarischen Klassiker jetzt als nostalgisch-moderne Neuinszenierung und deutschsprachige Erstaufführung ans Landestheater Salzburg.
Doctor Dolittle ist ein linguistisches Genie – zumindest in Bezug auf Tiere. Immerhin bringt er es auf stolze 498 verschiedene Tiersprachen. Und wäre „Goldfisch-isch“ nicht so schwierig, dann wären es vermutlich bereits 499. Dann wird der sympathische Doktor allerdings fälschlicherweise bezichtigt, eine alte Dame die Klippen hinabgestoßen zu haben, und muss sich vor Gericht rechtfertigen. Richter Bellowes will ihm trotz Zeugen keinen Glauben schenken; deshalb bleibt dem wunderlichen Tierarzt nichts übrig, außer sich von seinen tierischen Freunden retten zu lassen. Gemeinsam begeben sie sich auf die Suche nach der rosa Riesenseeschnecke.
Wenn Bücher lebendig werden könnten, dann wäre „Doctor Dolittle“ ein ansehnliches Musterbeispiel. Tatsächlich ähnelt bereits das Bühnenbild erstaunlich den einzelnen Seiten eines nostalgischen Bilderbuchs: Im viktorianischen England von Queen Victoria angesiedelt, ist es üppig mit ansehnlichen Bücherreihen, hochherrschaftlichen Backsteinfassaden und psychedelischen Blumen bestückt. In eine ähnliche Richtung tendieren die Kostüme der DarstellerInnen; besonders erwähnenswert scheinen die bunten Zirkus-Kreationen mit dem Touch 20er Jahre und der Material-Lust der Moderne (Bühne: Christian Floeren, Kostüme: Ulli Kremer). Wortwitz und ironisches Geplänkel prägen die Dialogführung und greifen den spannenden Epochen-Mix wieder auf. Als weniger aufregend präsentiert sich das getragene Song-Repertoire, aber zum Glück gibt es positive Ausnahmen. Für Zirkusdirektor Albert Blossom (Bariton Elliott Carlton Hines voluminös und kräftig) und seine Euphorie über das zweiköpfige Lama (auf feine Gesten setzend: Philipp Andreas Sievers & Alexander Soehnle) komponierte Leslie Bricusse eine temporeiche Gute-Laune-Stepp-Nummer, die die Bühne mit Leben füllt. Stimmlich versiert kombiniert auch Marc Seitz mühelos und leichtfüßig Tanz mit Gesang und verleiht Doctor Dolittles Sidekick Matthew eine charmant-amüsante Note. In die Rolle des wunderlichen Tierarztes schlüpft Uwe Kröger mit großer Affinität für die sprachlichen und körperlichen Feinheiten seiner tierischen Freunde. Weil ein Musical ohne Liebesgeschichte kein Musical wäre, wird dem verschrobenen Tierarzt mit den vielen Sprachen eine Partnerin zur Seite gestellt. Wunderbar bissig, stimm- und wortstark gibt Julia-Elena Heinrich ihre Emma Fairfax.
„Doctor Dolittle“ ist vor allem für seine Tierpräsenz bekannt. In Salzburg wurden die Fauna zum Gros mit selbstgeschneiderten VertreternInnen besetzt. Die Beschaffenheit der Figuren wird sichtbar und gerade das konstituiert die Anziehungskraft der Inszenierung. Wenn Genia Maria Karasek als Puppenführerin Robbendame Sophie zum Leben erweckt, ist das ein ganz besonderes Erlebnis. Die Emotionen springen von Spielfigur zur Schauspielerin und vice versa. Da ist sie wieder, diese nostalgisch-moderne Note, die die Inszenierung von „Doctor Dolittle“ durchweht und so ansprechend gestaltet. Ganz ohne hyperbolische Technikeinsätze oder ausgeklügelte Spezial-Projektionen besinnt sich Andreas Gergens Inszenierung zurück auf das Wesentliche – und wird belohnt. (mehr...)
© Veronika Zangl, 2017
Fotos:Anna-Maria Löffelberger