„Frau Müller muss weg“
Schauspielhaus Salzburg (Rezension)
Jetzt wird's persönlich
Der Zorn von Göttern ist nichts gegen den von empörten Eltern: Am Schauspielhaus Salzburg demonstriert „Frau Müller muss weg“ eindrücklich, was geschehen kann, wenn Helikopter-Eltern zum Noten-Kampf blasen.
Eine leistungsorientierte Zeit erfordert leistungsorientierte Maßnahmen - und die werden am besten frühestmöglich ppliziert. Weil Eltern aber gleichzeitig ihre Kinder gerne in Watte packen und von allem Übel fernhalten wollen, muss ein Kompromiss her - oder eben Frau Müller weg. Dramatiker, Schauspieler und Regisseur Lutz Hübner versteht sich als zeitgenössischer Autor auf flotte Pointen und humorige kulturanthropologische Studien. Beispiel gefällig?
FRAU MÜLLER MUSS WEG: In seiner 2010 uraufgeführten Typenkomödie blasen besorgte Helikopter-Eltern zum Kampf gegen die Lehrerin. Austragungsort ist das schulische Schlachtfeld, gemeinhin auch als Elternabend bekannt. - Die Eltern der Viertklässler sind besorgt. Aufgrund katastrophaler Schulnoten befürchten sie, dass eine Versetzung auf das Gymnasium unmöglich ist. Da hilft nur eines, Klassenlehrerin Frau Müller muss die 4b abgeben. Um das zu erreichen, treffen sich die Eltern mit besagter Pädagogin – nur um festzustellen, Frau Müller ist sich keiner Schuld bewusst. Es kommt zum Streit, in denen unschöne Wahrheiten das Licht der Welt erblicken, und die Eltern untereinander in Konflikt geraten.
Karin Koller inszenierte Lutz Hübners Typenkomödie temporeich, unterhaltsam und im zeitgenössischen Kleid (Ausstattung: Gernot Sommerfeld, Dramaturgie: Theresa Taudes, Licht: Thomas Finsterer). Als Setting dient eine Turnhalle, die das adäquate schulische Ambiente in Nullkommanichts auferstehen lässt. Für das Duell Eltern versus Frau Müller geizt die Komödie nicht mit den unterschiedlichsten Stereotypen, in die das Ensemble des Schauspielhauses mit viel Elan schlüpft. Da ist zum Beispiel Jessica Höfel (Christiane Warnecke), die Rädelsführerin der Eltern: Kühl und berechnend listet sie Frau Müllers Verfehlungen auf und ist auch mit denen von Tochter Laura bestens vertraut. Ganz anders Marina Jeskow (Ute Hamm) – die biedere Exil-Münchnerin wider Willen lässt nichts über ihren kleinen Lukas kommen und oszilliert zur wütenden Kämpferin, als der Filius als Klassenclown mit ADS denunziert wird. Ehemann Patrick (Bülent Özdil) versucht zwar zu beschwichtigen, verliert irgendwann aber auch selbst die Kontenance – und brüllt Marina an. Auf Harmonie fein gestellt ist die zurückhaltende Katja (Juliane Schwabe), ihres Zeichens Mutter von Musterschüler Fritz. Allerdings kann auch sie anders und brüllt an passender Stelle ihren Frust in die Turnhallen-Welt hinaus. Wolf Heider (Frederic Soltow) ist währenddessen das Paradebeispiel eines Helikopter-Vaters – der es unerwartet faustdick und latent amoralisch hinter den Ohren hat. Ja, und dann ist da ja noch Frau Müller höchstpersönlich (Susanne Wende): Vordergründig wie die liebe, nette Kuschelpädagogin auftretend, weiß sie durchaus, sich selbst zu behaupten. Und rückt die voreingenommene Sicht der Eltern auf ihre Kinder in die richtige Perspektive.
Die Salzburger Inszenierung von FRAU MÜLLER MUSS WEG greift die Vorzüge von Lutz Hübners humoriger Steilvorlage auf und akzentuiert die Schlagfertigkeit und das Tempo entsprechend. Der Wiedererkennungswert spielt der Produktion dabei in die Hände. Denn gerade durch den zeitgenössischen Spiegel erfährt die Typenkomödie ihren Witz und den großen Erfolg im Publikum. Der lässt sich auch am Applaus-Pegel des Premierenabends erahnen. (mehr...)
© Veronika Zangl, 2017
Fotos:Chris Rogl